Vor einiger Zeit hatte ich hier in der Liberalen Stimme bereits die strukturellen Probleme der umlagefinanzierten Rente aufgezeigt („Rente in der Sackgasse – und wie wir herauskommen“). Nun legt Ex-Bundesfinanzminister und ehemaliger FDP-Chef Christian Lindner einen konkreten Ansatz für eine kapitalgedeckte Ergänzung vor, der die Debatte meiner Meinung nach entscheidend weiterbringt.
Die Kernelemente des Vorschlags sind:
- Kapitalgedecktes Vorsorgedepot: Einzahlungen erfolgen aus dem Bruttolohn, Erträge wachsen während der Ansparphase steuerfrei und werden erst bei Auszahlung besteuert.
- Flexible Anlageoptionen: Von ETF-Depots bis Versicherungsprodukten – inklusive einfacher Standardlösungen für Unentschlossene. Auch Arbeitgeberbeiträge sollen möglich sein.
- Förderlogik: Steuerliche Förderung mit einer großzügigen jährlichen Obergrenze (z. B. bis 6.000 €). Anders als bei bisherigen Systemen wird die Förderung nicht durch starre Einkommensgrenzen abgeschnitten.
- Schlanke Regulierung: Keine bürokratischen Zertifizierungsverfahren, sondern klare, prozentuale Grenzen für riskantere Anlageklassen.
Warum das überzeugt
Lindners Vorschlag stärkt die Eigenverantwortung beim Vermögensaufbau und schafft neue Anreize, privat für das Alter vorzusorgen. Gleichzeitig eröffnet er mehr Wahlfreiheit, ohne die Sicherheit aus dem Blick zu verlieren. Positiv hervorzuheben ist auch der mögliche Schub für Kapitalmärkte und damit für Investitionen und Wachstum.
Einige Fragen sind aus meiner Sicht noch offen:
- Übergangsphase: Ältere Jahrgänge profitieren naturgemäß weniger. Hier braucht es eine klare Regelung, damit die Reform fair und transparent umgesetzt werden kann.
- Gefahr des Missbrauchs: Theoretisch könnten Anbieter versuchen, überteuerte oder unnötig komplexe Produkte als Vorsorgelösungen anzubieten. Ebenso könnte das Modell zu einem reinen Steuersparvehikel für Besserverdienende verkommen, wenn es falsch ausgestaltet wird.
Keine Lösung durch Überregulierung
Gerade hier gilt jedoch: Missbrauch lässt sich nicht durch kleinteilige Produktlisten oder ein Dickicht an Vorschriften verhindern. Solche Ansätze würden das Modell für Anbieter und Sparer unattraktiv machen und den Wettbewerb ersticken. Sinnvoll sind vielmehr klare, einfache Regeln:
- Transparenzpflichten bei Kosten und Risiken,
- prozentuale Grenzen für riskantere Anlageklassen,
- und konsequente steuerliche Neutralität.
Staat bleibt größtes Risiko
Das größte Risiko liegt nicht bei den Bürgerinnen und Bürgern oder Anbietern, sondern beim Staat selbst. Jede zusätzliche Regulierung, jede nachträgliche Besteuerung und jeder politische Eingriff schwächen das Vertrauen und machen aus einer liberalen Reform schnell wieder ein bürokratisches Pflichtmodell. Damit würde die Chance auf echte Kapitalmarktteilhabe und individuelle Freiheit verspielt.
Mein Fazit
Der Vorschlag von Christian Lindner ist pragmatisch, marktorientiert und ordnungspolitisch konsistent. Er bietet einen ernsthaften Ansatz, die private Vorsorge zu stärken und die Abhängigkeit vom reinen Umlagesystem zu verringern. Die offenen Fragen sind lösbar – entscheidend wäre, dass die Umsetzung nicht im Klein-Klein staatlicher (Über-)Regulierung stecken bleibt.
Lindners Gastkommentar im Handelsblatt: https://www.handelsblatt.com/meinung/gastbeitraege/gastkommentar-wie-eine-kapitalgedeckte-private-altersvorsorge-aussehen-sollte/100150370.html
