Andrew Breitbart war vieles zugleich: scharfzüngiger Provokateur, humorvoller Debattenführer, leidenschaftlicher Demokrat im ursprünglichen Sinn des Wortes. Denn seine politische Haltung war eher republikanisch, irgendwo zwischen Konservatismus und Libertarismus verortet. Wer Andrew erlebte, sah einen Mann, der nie davor zurückschreckte, Autoritäten herauszufordern und das linke mediale Establishment auf die Probe zu stellen. Sein Werk war umstritten, sein Temperament berüchtigt, doch seine Spuren in der amerikanischen Medienlandschaft sind bis heute unübersehbar.
Ein früher Blick für die Kraft des Internets
Andrew Breitbart wurde 1969 in Los Angeles geboren. Schon in den 1990er Jahren erkannte er, dass das Internet den Journalismus revolutionieren würde. Er war Teil der Anfangscrew beim Drudge Report, der durch die Enthüllung der Clinton-Lewinsky-Affäre Weltruhm erlangte. Später half er bei der Gründung der Huffington Post, bevor er mit eigenen Projekten den nächsten Schritt wagte. Andrew wollte eine Infrastruktur schaffen, die – so seine Überzeugung – eine mediale Gegenmacht zu den großen Sendern und Zeitungen bilden konnte. „Politics is downstream from culture“, erklärte er häufig. Kultur, Medien, Sprache und Narrative bestimmten für ihn, wie Politik wahrgenommen wird. Wer dort ansetzte, konnte gesellschaftliche Veränderung erreichen.
Medien als Arena – die „Big“-Seiten
2007 startete er mit Breitbart.com, das bald durch die „Big“-Seiten erweitert wurde: Big Hollywood, Big Government und Big Journalism. Es waren digitale Räume, in denen er Themen aufgriff, die seiner Meinung nach in den etablierten Medien zu wenig Beachtung fanden. Besonders Big Government wurde 2009 bekannt, als dort die Undercover-Videos über die Organisation ACORN veröffentlicht wurden. Hannah Giles spielte in den berühmt gewordenen ACORN-Videos von 2009 die Rolle einer angeblichen Prostituierten, während James O’Keefe sich als ihr Zuhälter ausgab. Die beiden gingen gemeinsam in ACORN-Büros und filmten Mitarbeiter, die ihnen fragwürdige Ratschläge gaben: Die Aufnahmen zeigten die Mitarbeiter, wie sie bereitwillig über Steuerhinterziehung und illegale Geschäfte sprachen. Die Wirkung war enorm: ACORN verlor staatliche Förderungen und löste sich kurz darauf auf.

Breitbart wusste, wie man Geschichten zuspitzt. Er sagte einmal: „I’m committed to the destruction of the old media guard.“ Für ihn bedeutete das nicht das Ende von Journalismus, sondern die Auflösung einer linken, viel zu homogenen Medienlandschaft.
Streit um Tea-Party-Demonstrationen
Ein besonders prägnantes Beispiel für Andrew Breitbarts Kampf gegen mediale Verzerrung war die Auseinandersetzung um die Tea-Party-Bewegung. Im März 2010, kurz vor der Verabschiedung der Gesundheitsreform (Affordable Care Act), marschierten Tea-Party-Aktivisten in Washington, um gegen das Gesetz zu protestieren. Zwei demokratische Abgeordnete des „Congressional Black Caucus“ – John Lewis und Andre Carson – behaupteten anschließend, sie seien auf dem Weg durchs Kapitol von 15 Demonstranten mit rassistischen Schimpfwörtern wie dem „N-Wort“ beleidigt worden. Medien griffen die Vorwürfe sofort auf, und viele Kommentatoren stellten die Tea Party pauschal als rassistisch dar.
Andrew Breitbart reagierte ungewöhnlich scharf: Er bot öffentlich zunächst 10.000, dann 20.000 und letztlich sogar 100.000 Dollar Belohnung für jeden, der ein Video oder eine Tonaufnahme des Vorfalls liefern könne. Er wusste, dass unzählige Handykameras und Fernsehteams die Szene dokumentiert hatten – doch trotz intensiver Suche kam nie ein solches Beweisstück ans Licht. Im Gegenteil: Videoaufnahmen aus verschiedenen Perspektiven zeigten laut Breitbart lediglich laute Proteste, aber keine rassistischen Beschimpfungen.
Andrews Ziel war es, den Spieß umzudrehen: Er wollte sichtbar machen, dass unbelegte Anschuldigungen den Diskurs vergiften können – und dass Medien oft bereit sind, solche Vorwürfe vorschnell weiterzutragen, wenn sie ins vorherrschende Narrativ passen. Für Breitbart war dies ein Musterbeispiel dafür, wie falsche Behauptungen genutzt werden können, um eine gesamte Bürgerbewegung zu delegitimieren. Damit machte er sich viele Feinde im politischen Establishment, doch er gewann Sympathien unter jenen, die ebenfalls wahrnahmen, dass konservative Stimmen systematisch unfair behandelt werden. Für Andrew war dies nicht nur ein politischer Schlagabtausch, sondern ein zentraler Moment, um seine Botschaft zu unterstreichen: Wahrheit muss wichtiger sein als die Schlagzeile.
Zweideutige Enthüllungen
Breitbarts Vorgehen brachte ihn mehrfach ins Zentrum nationaler Debatten. Ebenfalls in 2010 veröffentlichte er einen Ausschnitt aus einer Rede der US-Beamtin Shirley Sherrod. Der Clip ließ den Eindruck entstehen, sie habe einen weißen Farmer aufgrund seiner Hautfarbe benachteiligt. Sherrod verlor daraufhin ihre Stelle – bis das vollständige Video auftauchte, in dem sie über eigene Vorurteile reflektierte und dem Farmer letztlich half. Breitbart verteidigte seine Intention, den Fokus auf angeblichen „rassistischen Bias“ innerhalb staatlicher Programme zu lenken, musste sich aber den Vorwurf gefallen lassen, durch Auslassungen ein falsches Bild erzeugt zu haben.

Ein Jahr später stand er im Mittelpunkt des sogenannten „Weinergate“. Breitbart veröffentlichte auf Big Government anzügliche Fotos und Nachrichten, die der demokratische Abgeordnete Anthony Weiner über Twitter verschickt hatte. Als Weiner eine Pressekonferenz einberief, um sich zu erklären, erschien überraschend Breitbart selbst auf dem Podium, bevor Weiner sprechen konnte – eine Szene, die exemplarisch zeigte, wie sehr er es verstand, den medialen Takt vorzugeben.
Humor, Streitlust und demokratischer Geist
Breitbart sah sich nicht als Zerstörer, sondern als Korrektiv. Sein scharfes Temperament wurde von Humor getragen, der seine Auftritte oft entwaffnend machte. Freunde beschrieben ihn als loyal, herzlich und voller Energie. Gegner erlebten ihn als kompromisslos. In beiden Fällen galt: Gleichgültigkeit ließ er nicht zu. Wichtig ist, dass er sich selbst stets als demokratisch gesinnt verstand. Für ihn bedeutete Demokratie nicht Konsens, sondern offener Streit, das Nebeneinander konkurrierender Ideen und die Bereitschaft, Wahrheiten gegen Widerstände auszusprechen.
Walk toward the fire. Don’t worry about what they call you. All those things are said against you because they want to stop you in your tracks.
schrieb er in seinem Buch Righteous Indignation.
Righteous Indignation – Wahre Empörung als Antrieb
In seinem Buch Righteous Indignation: Excuse Me While I Save the World legt Breitbart sein Selbstverständnis als Kulturkämpfer offen. In ihm finden sich prägnante Urteile: „If the political left weren’t so joyless, humorless, intrusive, overtaxing, anarchistic, controlling, unrealistic, hypocritical, angry, intolerant … the truth is, I would not be in your life.“ oder: „You can always puncture [the left’s] balloon with one word: why. Mit Witz und Provokation forderte er seine Leserinnen und Leser zu Klarheit und kritischem Denken auf – auch über die Grundlagen linker Narrative hinaus.
Andrew Breitbart starb im März 2012 überraschend an Herzversagen, nur 43 Jahre alt. Wie so oft, wenn Visionäre früh sterben, rumorte es anschließend kräftig. Zumal der Gerichtsmediziner, der Andrews Leiche obduziert hatte, nur wenige Tage später verstarb. Andrews Tod hinterließ eine Lücke, doch sein Werk setzte sich fort. Unter dem nationalkonservativen Politikberater und ehemaligen Goldman-Sachs-Banker Steve Bannon entwickelte sich Breitbart News zu einem der einflussreichsten konservativen Medienhäuser der USA, das eine gewichtige Rolle im Präsidentschaftswahlkampf 2016 spielte.
Ein Vermächtnis, das weiterlebt
Seine Kritiker verweisen bis heute auf die Schattenseiten von Andrews Stil: Zuspitzung bis zur Verzerrung, Konfrontation bis zur Eskalation. Doch selbst sie räumen ein, dass Breitbart die Medienwelt verändert hat. Er verstand früher als viele andere, dass das Internet Machtstrukturen verschieben würde – weg von klassischen Gatekeepern, hin zu einer fragmentierten, aber auch lebendigeren Öffentlichkeit.
Andrew Breitbart war seiner Zeit voraus. Mit Humor, Streitlust und unerschütterlichem Glauben an die Bedeutung von Wahrheit und mediale Fairness stellte er sich gegen die etablierten Narrative. Er hat gezeigt, wie sehr Mut, Witz und digitale Kreativität politische Kultur beeinflussen können. Sein früher Tod beendete ein außergewöhnliches Leben, doch sein Vermächtnis wirkt bis heute fort – als Erinnerung daran, dass Demokratie von Menschen lebt, die bereit sind, unbequeme Fragen zu stellen. Zahlreiche Media Outlets und Bürgerjournalistinnen und –journalisten folgen auch heute seinem Vorbild, oftmals ohne den Namen Andrew Breitbart zu kennen.
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